Knallfester, knallempfindlicher, knallscheuer Hund (Teil2)
Die einfachste Lösung ist es, knallempfindliche bzw. knallscheue Hunde erst garnicht einem Knall auszusetzen; das ist in vielen Fällen sicherlich möglich.
Dort, wo es nicht zu vermeiden ist, den Hund einer Knallerei auszusetzen, sollte man ihn in seiner vertrautesten Umge¬bung, aber nicht in der Dunkelheit lassen.
Streßmindernd wirken auch Klänge aus dem Radio, wenn diese dem Hund vertraut sind.
In jedem Fall ist die Versorgung mit reichlich Trinkwasser wichtig, damit der Hund evtl. Streß durch Trinken mildern kann.
Bleibt der Hund während des Knallens nicht alleine, dann ist es sinnvoll, Reaktionen des Hundes auf solchen Lärm zu ignorieren bzw. ihm den Eindruck zu vermit¬teln, als seien solche Geräusche ganz normal.
Was darf man nicht tun?
Es ist absolut falsch, den knallunsicheren Hund für seine Ängstlichkeit zu bestra¬fen, ihn auszuschimpfen, ihn z.B. einen Angsthasen zu nennen oder ihn zu bedauern; alles das würde zu weiterem und neuem Fehlverhalten des Hundes gegenüber Knall und zusätzlich zur Verstärkung der Ängstlichkeit führen.
Kann man Knallempfindlichkeit abbauen?
Durch gezieltes Training und mit entsprechender Geduld ist es durchaus möglich, Knallempfindlichkeiten des Hundes weitestgehend zu beseitigen. Hierfür werden nachfolgend einige Tips gegeben.
Selbst in sehr schwierigen Fällen ist es uns gelungen, Hunde mit erworbener Knallscheuheit wieder so zu stabilisieren, daß sie erfolgreich an Prüfungen für das Gebrauchshundewesen teilnehmen konnten.
Wichtigste Voraussetzung für das Gelingen der nachfolgend beschriebenen Übungen ist ein tiefes Vertrauen vom Hund zu seinem Hundeführer. Je ruhiger und gelassener dieser reagiert, desto eher wird der Hund sich stabilisie¬ren und den Streß bewältigen.
Gezielte Übungen zur Überwindung von Knallunsicherheiten
Gruppenübungen
Zur Überwindung von Knallunsicherheiten eignen sich besonders Gruppenerlebnisse zusammen mit knallfesten Hunden. Dies soll an zwei Beispielen erläutert werden. Voraussetzung für das Gelingen ist es, daß der knallempfindliche Hund daran gewöhnt ist, in einer ihm vertrauten und angenehmen Umgebung mit anderen Hunden und Menschen zusammen zu sein.
- Innerartliches Spiel
Man läßt den knallunsicheren Hund zusammen mit wenigstens einem, besser mit mehreren knallfesten Hunden spielen. Die Hunde sollten sich alle im etwa gleichen Alter befinden. Keiner der sonstigen Hunde darf knallempfindlich sein.
Während des Spiels wird von einer Person aus größerer Entfernung ein einmaliger Schuß abgefeuert. Diese Übung wird möglichst täglich wiederholt.
Mit zunehmender Knallsicherheit des betreffenden Hundes wird die Anzahl Schüsse von eins auf zwei, später auf häufiger erhöht und die Entfernung zwischen Schallquelle und den spielenden Hunden systematisch verkürzt.
Diese Übung ist nur dann möglich, wenn die betreffenden Hunde gewöhnt sind, gemeinsam zu spielen und zwischen ihnen keine sonstigen Unsicherheiten oder gar Agressivitäten bestehen.
- Außerartliches Spiel / Spiel zwischen Hundeführer und Hund
Man wählt für diese Übung ein Spiel, das dem knallempfindlichen Hund viel Freude macht; das könnte z.B. das Spielen mit einem Beißwulst sein. Der Hundeführer wirft den Wulst möglichst weit weg und läßt den Hund hinterher rennen. Wenn der Hund den Wulst gegriffen und sich seinem Hundeführer wieder freudig zugewandt hat, feuert dieser einen einzigen Schuß ab. Dabei unterstützt er das Herankommen seines Hundes mit aufmunternden Zurufen und geht, sobald der Hund bei ihm ist, zu einem intensiven Spiel über.
Anschließend wiederholt er diesen Vorgang, aber ohne zu schießen.
Nach über mehrere Tage verteilten wiederholten Übungen und entsprechender Stabilisierung des Hundes können während einer Übungseinheit zunächst zwei, später auch mehrere Schüsse abgefeuert werden.
- Gruppendynamische Erlebnisse
Die folgende Übung ist in der Regel sehr wirkungsvoll. Sie hilft dem knallempfindlichen Hund, den Streß in unmittelbarer Konfrontation mit dem Knall abzubauen.
Mehrere Hundeführer stellen sich mit ihren knallfesten, aber angeleinten Hunden z.B. auf einer Wiese oder einem Übungsplatz nebeneinander, nicht hintereinander, in einer Reihe auf. Der knallempfindliche, aber ebenfalls angeleinte Hund befindet sich mit seinem Hundeführer irgendwo innerhalb dieser Reihe; links und rechts neben ihm befinden sich also knallfeste Hunde.
Ein mit Pistole ausgestatteter Ausbilder steht in einer Entfernung von wenigstens 50 Schritt. Auf ein Zeichen des Ausbilders setzt sich die Reihe aus Hundeführer und Hunden frontal in Richtung auf den Ausbilder in Bewegung. Hierbei feuert der Ausbilder unter strengster Beobachtung des knallempfindlichen Hundes je nach dessen Reaktion einen oder auch mehrere Schüsse senkrecht hoch in die Luft ab.
Zeigt der betreffende Hund nach dem ersten Schuß Unsicherheiten, wird nicht mehr geknallt; aber die Gruppe bewegt sich weiter bis über den Standort des Ausbilders hinaus.
Bei gutem Erfolg kann die Übung dahingehend erweitert werden, daß der Ausbilder auf die ihm entgegenkommende Reihe zugeht und dabei kontrolliert Schüsse abfeuert.
Diese Übung, die sich auch für knallfeste Hunde sehr gut eignet, läßt sich soweit fortsetzen, bis schließlich die Hundeführer mit ihren Hunden den entgegenkommenden Ausbilder bereits passiert haben, ehe geknallt wird, so daß der Knall auch von hinten auf die Hunde trifft.
Bei den hier beschriebenen Übungen geschieht es häufig, daß Hunde voller Neugier zur Schallquelle drängen; diesem Interesse sollte der Ausbilder folgen, indem er den Hunden die Schußwaffe zeigt und sie daran schnuppern läßt.
- Knall und Futter
In Anlehnung an die Konditionierungsversuche von Pawlow ist es möglich, knallempfindliche Hunde dadurch zu stabilisieren, daß ihnen ihre Futterrationen in Verbindung mit einem Knall verabreicht werden.
Hierbei ruft der Hundeführer seinen abliegenden Hund mit freudiger Stimme und Gestik aus großer Distanz zum Futternapf. Gleichzeitig feuert er einen Schuß ab. Wichtig ist, daß der Hundeführer sich in unmittelbarer Nähe des Futternapfes befindet und den herannahenden Hund durch Lob und Zuspruch aufmuntert.
Unerläßliche Voraussetzungen für diese Übung sind, daß zwischen Hundeführer und Hund eine genügende Entfernung besteht, und daß der Hund im Gehorsam bereits die Abliegeübung hinreichend beherrscht. Andernfalls übernimmt eine Hilfsperson die Aufgabe, den Hund bis zum Heranrufen durch den Hundeführer an der Führleine festzuhalten. In dem Augenblick, wo der Hund sich dem Hundeführer, der dem Hund tunlichst dabei gleichzeitig den Futternapf zeigt, freudig zuwendet, wird er von der Hilfsperson freigegeben. Unmittelbar danach erfolgt der Schuß.
Als Übergangsübung kann die Hilfsperson zusammen mit dem noch angeleinten Hund freudig zum Hundeführer laufen und dabei den Hund ermuntern.
Selbstverständlich kann diese Übung nur im Freien erfolgreich durchgeführt werden. Zudem sollte der Hund vorher gelernt haben, aus größerer Distanz zum Futternapf gerufen zu werden.
- Knallen auf dem Spaziergang
Die meisten Spaziergänge in naturbelassener Umgebung bieten reichlich Möglichkeiten, den Hund einem Knall oder knallähnlichen Geräuschen auszusetzen. Diese Art der Konditionierung bietet nicht nur viele Varianten, sondern ist besonders wirkungsvoll, da der Hund in den verschiedensten Situationen “angesprochen” werden kann. Hier einige Anleitungen, die in vielfältiger Weise variiert und ergänzt werden können.
- Während der Hund frei läuft, schlägt der Hundeführer ganz beiläufig mit einem Stock auf einen Baumstamm. Durch Wahl des Stockes, des Baumes und der Schlagkraft lassen sich Klangfarbe und Stärke des Knalles verändern.
- Stockschläge auf einen Baumstumpf ergeben ein knallähnlicheres Klangbild als Schläge auf einen Baumstamm.
- Peitschenschläge liefern ebenfalls knallgleiche Klangbilder.
- Heftige Schläge mit einem mehrere Zentimeter breiten Lederriemen auf z.B. Baumstümpfe, Steine o.dgl. sind ebenfalls besonders knallähnlich.
- Auch das Schießen mit einer Spielzeugpistole ist ein geeignetes Mittel, das auf Spaziergängen angewendet werden kann.
Diese Übungen können je nach Geschick des Hundeführers so durchgeführt werden, daß der Knall für den Hund verdeckt kommt oder er aber unmittelbar mit der Geräuschquelle konfrontiert wird.
-Spiel mit Luftballons
Hunde mit besonders großer Spielfreude kann man mit Luftballons spielen lassen und dafür sorgen, daß gelegentlich ein Ballon platzt, sofern dies der Hund nicht schon selbst verursacht.
Allgemeine Verhaltensregeln
Generell muß vermerkt werden, daß es positiv ist, dem Hund völlig ohne Zwang viele Gele¬genheiten zu geben, Feuerwerk, Knallerei, starke Geräusche beliebiger Art, wie sie z.B. bei Straßen- und sonstigen Baumaßnahmen, auf Bahnhöfen, Flugplätzen usw. herrschen, aus ge¬bührender Distanz wahrnehmen und die Geräuschquellen beobachten zu lassen.
Auf Unsicherheiten des Hundes sollte man dabei gelassen reagieren und ihn stets ermuntern, sich mit den Geräuschquellen vertraut zu machen, so weit dies eben möglich ist.
Falsch ist es, - dieser Hinweis gilt generell, - den Hund vor Streß dadurch bewahren zu wollen, daß man ihm suggeriert, “da ist doch nichts”. Solches Hundeführerverhalten kann der Hund nicht zuordnen, denn aus hündischer Sicht ist die Streßsituation ja vorhanden.
Diese Anmerkung schließt nicht aus, daß man dem gestreßten Hund Hilfen gibt, um ihm die Überwindung der Belastung zu erleichtern.
-Nicht unkritisch hinzunehmen
ist die folgende, gelegentlich auf Übungsplätzen praktizierte Maßnahme:
Der knallempfindliche Hund wird am Rande des Übungsgeländes, auf dem zur gleichen Zeit ein oder mehrere weitere, aber knallfeste Hunde ausgebildet werden, angebunden. Der Hundeführer befindet sich je nach Veranlagung des Hundes in dessen unmittelbarer Nähe oder in mehr oder weniger großem Abstand oder gar in einem Versteck. Während die knallfesten Hunde üben, werden häufig Schüsse aus einer Pistole abgegeben.
Der knallunsichere Hund wird so oft dieser Übung ausgesetzt, bis er selbst gelernt hat, dem ihm verursachten Streß zu widerstehen, bzw. bis eine gewisse Gleichgültigkeit und Abgestumpftheit gegenüber dem Knall eingetreten ist.
Solche Wege sollten nur von sehr verantwortlichen und sachkundigen Ausbildern in Erwägung gezogen werden, da je nach Empfindlichkeit des zu therapierenden Hundes bleibende Verhaltensschäden hervorgerufen werden können.
Wichtiger Hinweis
Alle hier beschriebenen Übungen müssen in freier Umgebung durchgeführt werden. Löst man einen Knall in freier Umgebung aus, breiten sich die Schallwellen kugelsymmetrisch aus. Dabei nimmt die Intensität des Schalles mit zunehmender Entfernung rasch (und zwar mit dem Quadrat des Abstandes) ab.
Feuert man in Richtung des Bodens, kommt es zu Deformationen der Schallwellen. Je nach Beschaffenheit des Bodens können dann Schalldruckwellen entstehen, die das Gehör viel intensiver treffen als die kugelsymmetrischen Schallwellen. Dies gilt natürlich besonders für geschlossene Räume.
Eine gewisse Schalldämpfung kann dadurch erzielt werden, daß der Schuß hinter dem Rücken des Schießenden ausgelöst wird. Dadurch entsteht ein Schallfeld, in welchem der Körper des Schießenden quasi einen “Schallschatten” wirft, der die Intensität des Knalles dämpft.
Ab welchem Alter soll der Hund dem Knall ausgesetzt werden?
Unter wölfischen Bedingungen werden Wolfsähnliche selbstverständlich bereits im Welpenalter knall- und böllergleichen Geräuschen z.B. bei Unwetter ausgesetzt. Gleiches gilt für den Haushund. Von daher gesehen schadet Knall dem Hund weder im Embryonalzustand noch im frühen Welpenalter.
Dennoch ist es empfehlenswert, die gezielte Förderung der Knallfestigkeit erst dann zu beginnen, wenn vom natürlichen Entwicklungsablauf her gesehen der Welpe in die Obhut des Erzieherhundes übergeht; das ist für unseren Haushund das Alter, in dem der Welpe an den neuen Besitzer abgegeben wird, also nach dem Ende der achten Lebenswoche.
Übungen zur Förderung der Knallfestigkeit
Gezielte Übungen sollten aber spätestens vor Ablauf der senhsiblen Prägungsphase des Hundes, das ist das Ende der 16. Lebenswoche, durchgeführt worden sein.
Den Welpen bereits in der Wurfkiste mit Knallerei u.ä. Geräuschen zu belasten, muß aus folgenden Gründen verworfen werden: Während ihrer Betreuungsphase durch die Mutterhündin obliegen die Welpen der besonderen Fürsorge ihrer Mutter. Deren Aufgabe besteht u.a. darin, den Wurf vor äußeren Gefahren zu schützen. Dies hat zur Folge, daß sie ihre Welpen veranlaßt, bei Gefahr schnellstens das sichere Wurflager aufzusuchen. Bei psychischer Belastung durch Knall könnte sie durch ihr eigenes Verhalten den Welpen Signale vermitteln, die nachhaltigen, also prägenden negativen Einfluß gegenüber Knall haben.
Nach der 8. Lebenswoche der Welpen entzieht die Hündin sich mehr und mehr den Welpen; nach wölfischem Verhalten würde ab dann ein Rüde die weitere Erziehung der Welpen übernehmen. Für das normale Hundeleben ist das die Zeit der Abgabe des Welpen an den neuen Besitzer, der ab dann die Aufgaben des Leithundes mit allen Konsequenzen übernimmt.
Autor: Prof. Dr. Alfons Saus