Knallfester, knallempfindlicher, knallscheuer Hund (Teil1)
Vorbemerkungen
Die Betätigungsfelder mit dem Hund sind sehr vielfältig. Im Zusammenhang mit der vorliegenden Thematik seien an dieser Stelle zwei typische Sportarten gegenübergestellt:
- Gebrauchshundesport
- Breitensport mit dem Hund.
Für beide Sportarten gibt es strenge Durchführungsbestimmungen, die vom Verband für das deutsche Hundewesen (vdh) festgesetzt werden.
Während für den Breitensport mit dem Hund keine besonderen Voraussetzungen an den Hund, sei es Rasse, Mischung oder Größe usw. gestellt werden, gelten für den Gebrauchshundesport strenge Regeln, die jeweils vom vdh bestimmt und in Prüfungsordnungen festgelegt werden.
Ungeachtet sonstiger Voraussetzungen gilt für die Zulassung eines Hundes zum Gebrauchshundesport, daß er knallfest ist.
Knallfestigkeit erwartet man selbstverständlich auch und gerade von Jagdhunden und von Hunden für spezielle Einsatzbereiche.
Knall, was ist das?
Knall ist ein gesonderter Fall von Schall. Schall entsteht durch Druckschwankungen z.B. in Luft. Jedes Sprechen erzeugt in der Luft Druckschwankungen, wobei gesprochene Wörter das Ergebnis von Klangbildern sind, die über die Sprachorgane gebildet werden. Auch Flüssigkeiten und feste Stoffe sind zur Erzeugung und Ausbreitung von Schall geeignet.
Ein Knall wird erzeugt durch spontane, also sehr kurz andauernde Druckschwankungen. Die dabei entstehenden Schallwellen unterscheiden sich deutlich von Wellen aus anderen Schallquellen.
Um Schall exakt zu beschreiben, bedient die Physik sich spezieller Begriffe, von denen einige hier wichtig sind.
Physikalische Begriffe zur Beschreibung von Schall
Amplitude entspricht Lautstärke
Frequenz entspricht Tonhöhe
Schalldruck/Schall-wechseldruck entspricht durch Wellen hervorgerufenem Druck (db)
Schwingungsform entspricht Klangfarbe
Schwingungsdauer entspricht Gesamtzahl der Schwingungen
Amplitude
Als Amplitude bezeichnet der Physiker die Schwingungsweite einer Druckschwankung. Je größer die Amplitude, um so lauter ist der Schall. Physika¬lisch mißt man Lautstärke in Phon oder Dezibel (dB).
Frequenz
Ob ein Ton als tief oder hoch empfunden wird, hängt von der jeweiligen Frequenz des Schalls ab. Das ist die Anzahl Schallschwingungen pro Sekunde. Als Maßeinheit dient das Hz (gesprochen: Hertz nach dem Namen des berühmten Physikers Hertz, 1857-1894). Je höher ein Ton ist, um so größer ist dessen Frequenz.
Die Hörfrequenzen, die vom gesunden Menschen wahrgenommen werden, liegen zwischen 16 und 20 000 Hz.
Die Hörfrequenzen, die vom gesunden Hund wahrgenommen werden können, liegen im Bereich von 16 bis 50 000 Hertz. Mithin ist das Ohr des Hundes hinsichtlich der Frequenzbreite wesentlich besser ausgestattet, als das des Menschen; es kann noch Schall wahrnehmen, der jenseits der Hörgrenze des menschlichen Ohres liegt.
Schalldruck
Die als Schall erzeugten Wellen üben z.B. auf ein Mikrofon oder auf das Ohr einen bestimmtem Druck aus, der als Schalldruck bezeichnet wird.
Hörschwelle
Das ist diejenige Schallstärke, die vom Ohr gerade noch wahrgenommen wird. Sie ist für jedes Ohr individuell. Sie steht in engem Zusammenhang mit dem Schalldruck und bedeutet die untere Grenze desjenigen Schalldrucks, der von einem Gehör noch wahrgenommen wird.
Da die Hörschwelle gleichzeitig von der Tonhöhe (Frequenz) abhängt, muß sie immer im Zusammenhang damit gesehen werden.
Für den Menschen liegt die Hörschwelle für die Frequenz von 2000 Hz bei dem Schalldruck von 0,0003 mikrobar.
Schmerzschwelle oder Schmerzgrenze
Wird bei der Frequenz von 2000 Hz der Schalldruck von 1000 mikrobar überschritten, dann wird dieser Schall vom Menschen nur noch als Schmerz empfunden. Die Schmerzgrenze liegt bei 10 Watt/m².
Hörempfindlichkeit
Die (Mindest-) Dauer, die ein Ton auf das Gehör wirken muß, um als solcher registriert zu werden, liegt in Abhängigkeit von der Tonhöhe zwischen 0,06 und 0,0006 Sekunden.
Hörfläche
Unter Hörfläche versteht man den von Frequenz und Schalldruck bestimmten Bereich, in dem Schall für das menschliche Ohr wahrnehmbar ist. Durch systematische Messung von Tonhöhe, Hörschwelle und Schmerzgrenze erhält man die Hörfläche.
Schwingungsdauer
Die Schwingungsdauer beschreibt die Zeit, während der ein Schall mit gegebener Frequenz und Amplitude andauert.
Schwingungsform
Durch einmaliges oder fortwährendes Erzeugen von Schallwellen einer konstanten Frequenz oder auch gemischter Frequenzen und Amplituden entstehen unterschiedliche Klangbilder.
Ton, Klang, Geräusch, Knall
Ton
Je nach Höhe, Dauer und Stärke der Schallwellen entsteht der Ton als konstant andauernde Schallwelle mit fester Frequenz und Amplitude.
Große Amplituden mit niedriger Frequenz verursachen laute und tiefe Töne, kleine Amplituden mit niedriger Frequenz erzeugen leise, tiefe Töne.
Umgekehrt empfindet das Ohr Schallwellen mit hoher Frequenz und großer Amplitude als laut und schrill und solche mit hoher Frequenz, aber niedriger Amplitude als hoch und leise.
Klang
Durch Überlagerung von Tönen unterschiedlicher Frequenzen und Amplituden entsteht Klang. Dabei bestimmt der Ton mit der kleinsten Frequenz die Tonhöhe der Schallempfindung, und die anderen Töne verursachen die Klangfarbe.
Wichtige Klänge sind die Worte und Silben unserer Sprache. Sie werden im wesentlichen durch den Klang der Vokale a, e, i, o, u und der Umlaute ä, ai, ei, au, eu, ö, ü, ieu und deren Dehnung bestimmt, z.B. lahm/Lamm, kam/Kamm, Rahmen/rammen.
Geräusch
Als Geräusch empfindet das Ohr ein Gemisch aus sehr vielen Tönen etwa gleicher Lautstärke. Je nach den Amplituden der Töne ist das Geräusch laut oder leise.
Knall
Ein Knall stellt sich als Schall von sehr kurzer Schalldauer dar. Ist die Frequenz hoch, handelt es sich um einen hohen Knall, ist sie niedrig, ergibt das einen dumpfen Knall. Die Intensität des Knalles wird durch die jeweilige Amplitude bestimmt.
Wirkung des Knalls auf Menschen
Die meisten Menschen empfinden einen Knall allgemein als unangenehm.
Knallerei zu Silvester oder ähnlichen Festen löst eher Heiterkeit und Ausgelassenheit als Unwillen aus, wenn man sich emotional darauf einläßt.
Bei Kriegsveteranen könnten im Gegensatz dazu schlimme Erinnerungen geweckt werden.
Das zeigt, daß Knall ungeachtet seiner physikalischen Wirkung auf das Ohr auch emotionale, also gefühlsmäßige Regungen auslösen kann.
Hund und Schall
Vergleichbar dem Menschen registriert auch der Hund die verschiedenen Klangbilder unterschiedlich. Es gibt Hunde, die von Natur aus gegenüber verschiedenen Schalleinflüssen unterschiedlich reagieren, ungeachtet dessen, welche Erfahrungen sie im Zusammenhang mit den jeweiligen Klangbildern gemacht haben.
Knall, der sich, wie vorher dargelegt, grundsätzlich von allen übrigen Schallmustern unterscheidet, hat dabei prinzipiell keine besondere Stellung. Ob ein Hund gegenüber einem Schall Festigkeit oder Unsicherheit zeigt, hängt sowohl von seinem (genetisch bestimmten) subjektiven Schallempfinden, als auch und besonders von seinen (erworbenen) individuellen Erfahrungen ab, die er im Zusammenhang mit dem jeweiligen Klangmuster des betreffenden Schalles gemacht hat.
Knallfester Hund, was ist das?
- Beispiel:
Im Gebrauchshundesport werden während eines Prüfungsablaufs zu bestimmten Situationen Schüsse mit Platzpatronen aus einer Pistole oder einem Revolver abgegeben. Der Hund, der durch den Knall so verunsichert ist, daß er sich z.B. sträubt, den weiteren Prüfungsablauf zu absolvieren oder gar den Übungsplatz fluchtartig verlassen will, gilt als knallscheu und wird von dem weiteren Verlauf der Prüfung ausgeschlossen.
Der knallfeste Hund zeigt sich gegenüber dem Knall absolut unbeeindruckt.
Knallempfindliche Hunde zeigen eine Reaktion auf den Knall, ohne jedoch die Konzentration zur Durchführung der vorgeschriebenen Übungen zu verlieren.
Knall und knallähnlicher Schall im Alltag
Es gibt aber auch für den alltäglichen Umgang mit dem Hund eine Fülle von Möglichkeiten, bei denen der Hund einem mehr oder weniger starken Knall oder einem knallähnlichen Geräusch ausgesetzt ist; dazu zählen z.B. Donnerschlag, Verpuffungen aus Abgasrohren von Autos, auf den Boden fallende Gegenstände, platzende Luftballons u.a.m.
Besonders bei festlichen Veranstaltungen, wie z.B. Silvester, Jahrmärkten, Karneval und Familienfeiern ist der Gebrauch von Knallkörpern sehr beliebt. Für knallempfindliche oder gar knallscheue Hunde stellen Feuerwerke eine starke psychische Belastung dar, der sie sich durch Flucht oder Verkriechen zu entziehen versuchen.
Knallscheuheit - erworben oder ererbt?
Die wahren Ursachen für Scheu gegenüber einem Knall können sehr vielfältig sein, angefangen von einer angeborenen bis hin zu einer erworbenen Knallscheuheit.
Man darf annehmen, daß auch der Hund eine Schallabhängige Schmerzgrenze hat (s. Schmerzschwelle).
Wenn knallempfindliche Hunde zusätzlich zu einem Knall weiteren Streßsituationen ausgesetzt werden, ist Flucht- oder Aggressionsverhalten des Hundes in der Regel unvermeidbar.
Daher sollte man knallempfindliche und knallscheue Hunde nicht unmittelbar dem Knall oder vergleichbaren Geräuschen aussetzen.
Angeborene Knallgleichgültigkeit
Hunde mit angeborener Knallgleichgültigkeit nehmen auch das lau¬teste Feuerwerk unbeeindruckt hin, sei es in vertrauter oder fremder Umgebung. Deswegen sind sie aber auch am ehesten Verletzungsgefahren ausgesetzt, weil sie gerne Knallkörpern hinterher laufen . Um solche Hunde vor evtl. Verlet¬zungen oder sonstigen schlechten Erfahrungen zu schützen, ist es ratsam, sie trotz ihrer Unbekümmertheit oder gerade deswe¬gen nur angeleint das Feuerwerk erleben zu lassen.
Angeborene Knallscheuheit
Angeborene Knallscheuheit ist genetisch, also erblich bedingt und läßt sich durch gezieltes Training bestenfalls ab¬schwächen, aber nicht ganz beheben. Sie wird gemäß den Vererbungsgesetzen bei Paarungen mit entsprechend belasteten Hunden immer wieder auftreten.
Erworbene Knallscheuheit
Bei erworbener Knallscheuheit bzw. Knallempfindlichkeit handelt es sich um Fälle, bei denen ungünstige Außeneinwirkungen maßgebend waren. Hierfür gibt es eine Fülle von Möglichkeiten.
Eine der häufigsten Ursachen ist darin zu sehen, daß in Gegenwart des Hundes mit Knallgegenständen jeglicher Art zu unbekümmert und leichtfertig umgegangen wurde, so daß dem an sich knallfesten Hund im Zusammenhang mit einem Knall ein für ihn nachhaltiges negatives Erlebnis widerfahren ist. Dies könnte z.B. ein umherfliegender Knallkörper gewesen sein, der den Hund verletzt hatte. Nach einem solchen Erlebnis verbindet der Hund fortan jegliches Knallen mit einem (psychosomatisch ausgelösten) Schmerzempfinden bzw. mit Angst, Aggression, Flucht o.dgl mehr.
Auch das zufällige Zusammentreffen von an sich nicht zusammengehörigen Ereignissen, z.B. Knall genau in dem Augenblick, wo der Hund sich, aus welchen Gründen auch immer, zufällig verletzt, kann zu einer nachhaltigen Knallscheuheit führen.
Vorsicht bei Familienfeiern
Diese Art vorhergenannter Doppelerlebnisse treten besonders häufig bei heimischen Festen auf, wenn z.B. die Familie gespannt dem im Garten abbrennenden Feuerwerk folgt und den Hund unbeobachtet läßt; die¬ser, vor allem, wenn er allgemein unbefangen ist, betrachtet umherfliegende Kracher als Beute, die man jagen kann, die aber vielleicht gerade dann explodiert, wenn der Hund in ihrer engsten Nähe ist.
Um solche Vorkommnisse zu vermeiden, hält man den Hund an der Leine in gebührender Entfernung von dem Feuerwerk fest und gibt ihm durch das eigene Verhalten zu erkennen, daß man sich selbst über das Feuerwerk freut. Solche Vor¬bildfunktion des Hundeführers vermittelt dem Hund noch am ehesten das Gefühl der Sicherheit.
Durch Bösartigkeit erworbene Knallscheuheit
Ein übles Kapitel darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden! Es gibt Menschen, die sich einen Spaß daraus machen, Hunden mutwillig Feuerwerkskörper zwischen die Beine zu werfen. Zunehmende Mißachtung von Natur und allem Lebenden leistet solchen Exzessen leider Vor¬schub. Setzen sie ihren Hund erst gar nicht der Möglichkeit solcher Auswüchse aus!
Andere Ursachen für erworbene Knallscheuheit
Gelegentlich zeigen Hunde Unsicherheiten gegen¬über Knall und lautem Schall, obgleich sie selbst genetisch nicht vorbelastet sind. Häufigste Ursache hierfür sind unsichere Mutterhündinnen, die ihre genetische oder erworbene Unsicherheit auf ihre Welpen bereits vor deren Geburt oder während der Aufzucht übertragen haben.
In solchen Fällen kann häufig durch gezieltes Training des Welpen vom Welpenalter an Knallsicherheit vermittelt werden. Dies geschieht allerdings am besten unter fachkundiger Anleitung und Betreuung.
Genetisch gesunde Hunde, die bereits im Welpen- und Junghundalter entsprechend gefördert worden sind, haben bei jeglicher Knallerei keine Probleme.
Warum reagiert der Hund auf Knall besonders stark?
Die eigentlichen Hintergründe, weshalb Hunde auf Knall besonders reagieren, sind unbekannt. Es liegt nahe, dies in Zusammenhang mit seinem außerordentlich feinen Gehör bzw. mit seiner individuellen Schall-/Schmerzschwelle in Verbindung zu bringen.
Das Gehör des Hundes ist nicht nur wesentlich empfindlicher, als das des Menschen, sondern es nimmt zudem noch Schallwellen wahr, die jenseits der Hörfläche des menschlichen Ohres liegen. Solche Schallwellen heißen Ultraschall.
An dieser Stelle sei die sicherlich interessante Frage erlaubt, warum die Natur den Hund mit einem so feinen Gehör ausgestattet hat, daß es auch Ultraschall wahrnehmen kann. Die Anwort wissen wir nicht.
Das Gehör des Hundes
Tatsache ist, daß das Hundege¬hör etwa 4 bis 5 mal empfindlicher ist, als das des Men¬schen, obwohl es physiologisch genauso funktio¬niert: Die von einer Schallquelle ausgehenden Schallwellen erzeugen im Ohr Druckschwankungen, die im Gehirn Reize auslösen, die als Schall empfunden werden. Die Reaktionen auf diese Reize können sehr unterschied¬lich sein, je nachdem welche emotionalen oder physischen Erfahrungen der Hund mit dem betreffenden Schall verbindet.
Schmerzgrenze des hündischen Ohres?
Ob das Gehör des Hundes auch eine Schmerzgrenze hat, ist unbekannt. Man weiß, daß es noch Tonhöhen wahrnehmen kann, für die das menschli¬che Ohr nicht mehr empfänglich ist. Es scheint, als ob hohe Töne und hoher Knall eine besonders intensive Wirkung auf das Hundegehör haben, da zahlreiche Hunde darauf sehr unruhig mit Bellen, Jaulen, Winseln und sogar ängstlich oder aggressiv reagieren.
Autor: Prof. Dr. Alfons Saus