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Der Hund in unserer Gesellschaft (3)

Förderung des Sozialverhaltens über Spiel und Neugierde

Spiel und Neugierde dienen der Entwicklung der Bewegungsabläufe (Motorik), der geistigen Fähigkeiten und der Kombinationsfähigkeit, d.h. der Fähigkeit, Gehirnleistungen in gezielte Bewegungsabläufe umzusetzen. Hier bietet sich ein unendlich großes Feld an Betätigungsmöglichkeiten für Mensch und Hund, so daß die vorgestellten Beispiele nur als Anregung gelten können. Die Wahl der Beispiele ist so getroffen, daß das an dieser Stelle vorrangige Ziel, also die Förderung des Sozialverhaltens, übergeordnet ist, aber Elemente anderer Triebanlagen bereits einbezogen sind.
Vorweg muß betont werden, daß der gesunde Welpe einen starken Betätigungsdrang entwickelt. Seine angeborene Neugierde veranlaßt ihn zu immer neuen Abenteuern. Wenn wir es in dieser Phase versäumen, Neugierde und Betätigungsdrang in bestimmte Bahnen zu lenken, vergeben wir nicht nur wertvolle Förderungsmöglichkeiten, sondern wir überlassen dem Welpen die Wahl, was für ihn wichtig ist. Verselbständigung des Hundes und Prägung auf unerwünschte Triebhandlungen sind die unausweichliche Folge.
Erinnern wir uns an die Entwicklung des Gedächtnisses, wird überdeutlich, daß die Prägungsphase die Einmaligkeit bietet, Gedächtnisleistungen auf Lebensdauer zu speichern. Folglich tun wir gut daran, unsere Spiele mit dem Hund nicht nur selbst zu bestimmen, sondern sie bereits gezielt im Hinblick auf diejenigen Ziele anzulegen, derentwillen wir den Welpen erworben haben.
Diese Ziele können natürlich vielfältiger Natur sein. Sofern unsere Spiele der allgemeinen Wesensförderung im Sinne der Erziehung des Hundes dienen, ist absolut keine Beschränkung auf eine spezielle spätere Ausbildung zu befürchten; ganz im Gegenteil, je breiter wir die Triebanlagen des Hundes ansprechen, desto vielseitiger kann der Hund später ausgebildet werden. So schließt z.B. die Ausbildung zum Schutzhund seinen Einsatz als Such-, Rettungs-, Lawinen-, Sanitätshund o.a. nicht aus.
Unser Spiel spricht den Welpen besonders intensiv an, wenn es im direkten Einklang mit den wesensmäßigen Veranlagungen, z.B. dem Beutetrieb steht. Als Beute dient dem Welpen einfach alles, das er in den Fang nehmen kann. Bewegte oder sich bewegende Objekte sind besonders beliebt. Wir kanalisieren (d.h. lenken) das Beuteverhalten so, daß der Welpe einerseits volle Triebbefriedigung erfährt, andererseits aber auch die Grenzen des Zulässigen kennenlernt.
Eine gute Entwicklung setzt günstige Umweltbedingungen und günstige innere natürliche Fähigkeiten voraus - Wesen und Prägung
"...nicht, daß der Mensch ein Viech ist. Aber gewisse Gesetzlichkeiten instinktiven Verhaltens gelten für Tiere wie für Menschen."
(Konrad Lorenz in: Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen. dtv, 1. Aufl. Januar 1964).
Machen Sie sich einmal die Mühe und überdenken Ihren eigenen Werdegang. Ihre gegenwärtige Stellung in Familie, Gesellschaft und Beruf ist das Ergebnis von Zufällen, Zwangslagen und Entscheidungen mit allen ihren Konsequenzen. Dabei mögen eigene Entscheidungen, aber auch diejenigen anderer Personen von ausschlaggebender Bedeutung gewesen sein.
Vielleicht kommen Sie zu der Feststellung, daß Ihr persönliches Leben eine andere Entwicklung genommen hätte, ja, daß Sie möglicherweise ein ganz anderer Mensch geworden wären, wenn diese oder jene äußere Bedingung nicht oder anders gewesen wäre.
Wie oft haben Sie ein Ziel vor Augen gehabt, das Sie trotz Ihrer persönlichen Begabung gar nicht oder nur sehr mühsam erreicht haben? Rückblickend stellen Sie fest, daß eigentlich nur eine kleine Hilfe, ein Tip oder vielleicht auch eine gewisse Strenge oder Ausdauer gefehlt haben, um Ihnen dornenvolle Wege zu ersparen.
Wie oft haben sie Chancen verpaßt, nur, weil Sie selbst sie als solche nicht erkannt oder nicht rechtzeitig wahrgenommen haben. Für die meisten Chancen ist es dann zu spät.
"Man müßte alles zweimal tun!" lautet das geflügelte Wort, worin, wenn man ehrlich ist, im Grunde genommen die ganze Tragik früherer Fehlentscheidungen zum Ausdruck kommt.
Nicht nur Entscheidungen, Zufälle und Zwangslagen sind für unseren Werdegang von Bedeutung! Allem voran stehen unsere inneren natürlichen Veranlagungen. Diese aber, die inneren Fähigkeiten, sind Folgen der biologischen Entwicklung der Art Mensch und der individuellen, auf den einzelnen Menschen bezogenen genetischen, also ererbten Veranlagungen.
Jedoch selbst dort, wo die inneren und äußeren Voraussetzungen zu stimmen schienen, blieb der ersehnte Erfolg gelegentlich aus, weil der Zufall, - wir nennen es im Sprachgebrauch: Schicksal, - alle Pläne zunichte gemacht hat.
• Die erblich bedingten Veranlagungen und die äußeren, also umweltbedingten Einflüsse sind für unsere gesamte Persönlichkeitsbildung und Persönlichkeitsentfaltung ausschlaggebend.


Warum solche Betrachtungen?

Es soll damit in aller Kürze aber mit der erforderlichen Eindringlichkeit gezeigt werden:
• Artspezifische und individuelle innere (genetische) Veranlagungen und äußere (Umwelt-) Einflüsse bestimmen das Wesen des Individuums.
• Innere und äußere Gegebenheiten, Situationen und Chancen sind einmalig.
• Einmal getroffene Entscheidungen lassen sich in der Regel nicht rückgängig machen.
• Verpaßte Chancen sind im allgemeinen unwiederbringlich verloren.


Prägung und Einmaligkeit der Prägung

Der Begriff Prägung wird in der Verhaltensbiologie benutzt, um die in frühester Jugend eines Lebewesens relativ rasch ablaufenden Lernprozesse zu beschreiben.
Hierbei handelt es sich um Vorgänge, die einmal durch die hohe Empfänglichkeit (Sensibilität) des Lebewesens gegenüber Umwelteinflüssen und zum anderen durch ihre tiefgreifende und nachhaltige (irreversible) Wirkung gekennzeichnet sind.
In der sensiblen Prägungsphase werden die grundlegenden Erfahrungen für das gesamte spätere Leben des Individuums gelegt; sie sind für seine Existenz und seinen Fortbestand maßgebend.
Gemessen an der Lebenserwartung des Hundes dauert seine Prägungsphase nur die kurze Dauer von etwa vier Monaten. Alles, was ihm in dieser Zeit an günstigen Erfahrungen zuteil geworden ist, prägt ihn für sein ganzes Leben; dem entsprechend wirken sich ungünstige Erfahrungen dauerhaft negativ auf sein weiteres Leben aus. Schon aus diesen Gründen hat der Züchter einen bleibenden Einfluß auf die Entwicklung seiner Welpen.

Autor: Prof Dr. A. Saus
 

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